Als Buchcoachin gendern? Da sind Sie so ziemlich die Einzige!
Neulich auf LinkedIn habe ich mich in eine Diskussion eingeklinkt. Ein Herr fragte, ob er bei seinem kommenden Buch gendern solle. „Das kommt auf Ihre Zielgruppe an. Wenn diese ausschließlich männlich ist: Go for it!
Ich persönlich lese keine Bücher, in denen ich als Frau nicht angesprochen werde. Ich habe dann das Gefühl, als Kundin nicht gemeint und gesehen zu werden. Außerdem finde ich es wichtig und schön zu sehen, wenn Männer uns in dieser Hinsicht unterstützen“, antwortete ich. Gerade, wenn frau und divers explizit ausgeklammert werden mit einem „dürfen sich mitgemeint fühlen“ bin ich echt raus!
Die Diskussion ging sehr spannend und erfreulich sachlich weiter. Der Herr schrieb, er käme aus dem Maschinenbau und dort sei die Zielgruppe zu 90 Prozent männlich.
Was macht ‚man‘ dann?
Ich glaube, in solchen Fällen kommt es schlich auf die eigene Haltung an. Wie wichtig sind mir die verbleibenden 10 Prozent? Möchte ich diese in jedem Fall auch ansprechen? Wenn ich eher konservativ eingestellt bin (was okay ist), dann erübrigt sich dies vermutlich. Wenn ich dafür bin, auch mal anders zu handeln als erwartet wird, mich als bewussten Menschen definiere und ggf. auch den 90 Prozent der Männer zeigen will, dass Gendern keine Einbahnstraße ist, dann lohnt es sich sicherlich. Und dass der Herr diese Frage überhaupt stellt, war für mich ein klares Zeichen, dass er bewusst handelt und sich über dieses Thema Gedanken macht.
Eine Frage, die sich bei diesem Thema zusätzlich stellt, ist: Warum sind denn 90 Prozent der Maschinenbauer:innen männlich? Ich gab zu bedenken, dass bislang oftmals die männliche Form in diesem Bereich verwendet wird. Nachgewiesenermaßen (s. Quellen unten) beeinflusst das bereits junge Mädchen, die sich einen Beruf eher zutrauen, wenn auch von der weiblichen Form gesprochen wird.
Will man die Quote ändern, lohnt es sich, zu gendern!
Eine Sprachwissenschaftlerin sprang an diesem Punkt mit ein und bestätigte, dass sie oft mit Unternehmen zusammen arbeite, die ein Problem damit hätten, weibliche Bewerberinnen für ihre Positionen zu finden. „Immer, wenn ich auf die Ausschreibung geguckt habe, war die Ansprache männlich. Meistens bekamen durch die bloße Änderung oder Ergänzung einer weiblichen/diversen Form die Unternehmen direkt die gewünschten Bewerber:innen.“
Tja, und dann klinkte sich der Troll ein…
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Er kenne ja eine Reihe emanzipierter Unternehmerinnen, Buchcoachinnen und Autorinnen, die komplett gegen das Gendern seien (die drei Personen kenne ich auch). Und die Akzeptanz gehe ja auch zurück (Ähm, ja? Wo haben Sie das denn gelesen? Zahlen, Belege, Studien…?).
Ich habe ihn entgegen meiner in Klammern gesetzten fiktiven Antworten gefragt, was er mir damit jetzt sagen wolle, wenn er behauptet, ich sei die einzige. Im Prinzip hat er darauf lediglich seine ersten Kommentar wiederholt – nicht der Rede wert, weshalb ich lediglich auf meine vorangegangenen Gedanken verwiesen habe.
Behauptungen vs. Fakten
Das Problem, das ich in solchen Kommentaren sehe: Sie behaupten etwas, was sie in ihrer Bubble aus vielleicht 400 Menschen wahrgenommen haben, belegen es aber nicht. Das ist schlicht gefährlich, weil so vermeintliche Informationen in die Welt geblasen werden, die nicht stimmen – Fake-News also.
Tatsächlich geben laut Statista (s. Quellenangabe unten) über 50 Prozent der Frauen an, dass ihnen gendern nicht so wichtig sei. Bei den Männern ist die Zahl noch etwas höher – was mich persönlich nicht wundert. Einen Beleg dafür, dass die Bereitschaft zurückgehen würde, gibt es jedoch nicht.
Studien zur Wirksamkeit von Gendern,
den Einfluss einer Veränderung in der Sprache auf die Wahrnehmung und das Selbstbewusstsein junger Mädchen, gibt es hingegen schon (s. u.) und sogar mehrere. Insofern ist die Frage wieder die nach der Haltung: Will ich, dass (meine) Kinder das Gefühl bekommen, sie können alles werden und tun, was sie sich wünschen? Möchte ich dadurch eine Gleichberechtigung von Kindesbein an fördern? Ist es mir wichtig, dieses Bewusstsein in allen Bereichen herzustellen – und dass nur mit einer vergleichsweise kleinen Veränderung, die ein * oder : oder _ in bestimmten Worten mehr bedeutet?
Alles eine Frage der Haltung
Ich finde, Gendern ist eine sehr verträgliche Maßnahme, bei der einem:r kein Zacken aus der Krone fällt, wie meine Mutter sagen würde. Selbst, wenn es auch bei mir noch nicht perfekt ist und ich oft die verschiedenen Zeichen mixe o. ä.: Egal! Hauptsache, es ist da.
Und insofern ist es mir übrigens auch gleich, sollte ich die einzige Buchcoachin sein, die so vorgeht (was ich hiermit deutlich bezweifle, denn das * und : habe ich bei meinen Kolleginnen schon gesehen). Dann mache ich eben den Anfang und hoffe, dass mir viele weitere folgen.
Quellen:
Statistik von Statista:
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1120925/umfrage/umfrage-in-deutschland-zur-relevanz-von-geschlechtergerechter-sprache/, abgerufen am 4.8.2021.
Studie der Universität Dresden zu gendergerechter Sprache in Stellenausschreibungen:
https://tu-dresden.de/tu-dresden/organisation/ressourcen/dateien/Gleichstellungsbeauftragte/Unsere-Themen/geschlechtergerechte-sprache/genderspezifische-eigenschaften-stellenausschreibungen?lang=de, abgerufen am 4.8.2021.
Quarks-Artikel mit Bezug auf dein Einfluss von Sprache bei Kindern:
https://www.quarks.de/gesellschaft/psychologie/was-gendern-bringt-und-was-nicht/, abgerufen am 4.8.2021.